Waldbegang mit Kräuterpädagogin
Superfood aus dem Wald

Mehrere Personen stehen in einem Kreis im WaldZoombild vorhanden

Waldbegang im Zwieseler Stadtwald

Bei dem Begriff „Superfood“ denkt man im ersten Moment an exotische pflanzliche Lebensmittel wie Chiasamen, Gojibeeren oder Matcha- Tee, die in den letzten Jahren verstärkt aus Südamerika oder Asien oder zu uns nach Deutschland gelangen. Doch auch bei uns in Bayern gibt es viele Kräuter, Beeren oder Samen, welche sich diesen Titel mehr als verdient haben. Vieles davon wächst im Wald. Frisch, kostenlos und direkt vor unserer Haustür. Aus diesem Grund hat Tobias Dendl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Regen zusammen mit Elena Mühlbauer von der Waldbesitzervereinigung (WBV) Regen die Themen Waldbau und essbare (Wald-) Pflanzen fusioniert. Kräuterpädagogin Ulrike Niedermeier aus Auerkiel gab dabei ihren Wissensschatz an die zahlreichen Teilnehmenden weiter, die sich trotz kühler Temperaturen im Zwieseler Stadtwald einfanden.

Weide bereichert den Wald

Nach einem kurzen Fußmarsch lenkte die Kräuterexpertin die Aufmerksamkeit auf eine Weide am Wegesrand, welche auch das „Aspirin des Waldes“ genannt wird. Sie enthält Salicin, welches heute in synthetischer Form im Schmerzmittel Aspirin Verwendung findet. Früher verwendeten die Menschen einen Tee aus Rinde von jungen Ästen, wenn sie Schmerzen oder Fieber hatten. Die Inhaltsstoffe der Weide haben die Eigenschaft, harte Hautstellen aufzuweichen. Daher kann sie in Öl eingelegt als „Weichmacher“ zum Beispiel für Hornhaut an den Füßen verwendet werden.
Tobias Dendl stellte die Weide vor allem als wertvolle Futterpflanze im Frühjahr für Bienen und als eine von zwölf heimischen Baumarten im Zwieseler Stadtwald vor. Sein Ziel ist es, Bäume wie Fichten, Tannen, Kiefern, Buchen, Ebereschen- in Mischkultur und in verschiedenen Höhen- zu einem zukunftsfähigen Wald zu entwickeln. Denn Monokulturen wie reine Fichtenanpflanzungen bergen das Risiko von Schädlingsbefall durch Borkenkäfer. Werden genügend Bäume entnommen, gelange auch wieder Licht in den Wald, so dass viel Holzzuwachs möglich sei.

Heidelbeeren - vielseitig und gesund

Heidelbeeren im Frühling mit unreifen, roten Früchten im Wald.Zoombild vorhanden

Heidelbeeren im Frühling

Mit dem Sprichwort „Wenn die Erntezeit der Heidelbeere beginnt, kann der Arzt in den Urlaub gehen“ unterstrich Ulrike Niedermeier die Bedeutung der Waldheidelbeere. Die blauen Beeren sind mit dem Farbstoff Anthocyan, das als Antioxidant gegen freie Radikale wirkt, wahre Immunbooster. Sie stärken das Immunsystem, schützen vor Ablagerungen an den Blutgefäßen und vor Altersdiabetes, helfen bei Sehschwäche und sind gut fürs Gedächtnis. Doch auch die jungen, zarten Blätter der Heidelbeere können kalt angesetzt und langsam erwärmt als Tee genossen werden. Brombeer- und Himbeerblätter dazu geben und man erhält einen schmackhaften Tee, der unter anderem den Hormonhaushalt des Körpers günstig beeinflussen kann.

Wenn ein Baum leidet

Drei Personen blicken in KameraZoombild vorhanden

v. li.: Tobias Dendl, AELF, Elena Mühlbauer, WBV Regen, Ulrike Niedermeier

Entlang des Waldweges entdeckt die Gruppe eine Fichte, an der ein größerer Harzklumpen zu sehen ist. „Die Nadelbäume verschließen ihre Wunden damit“, erklärt der Förster. „Das Harz kann man zur Herstellung einer Pechsalbe verwenden“, ergänzt Ulrike Niedermeier. Dieses alte Hausmittel könne bei vielen Beschwerden wie zum Beispiel Wunden oder Gelenksentzündungen eingesetzt werden. Aber auch getrocknet als „Waldweihrauch“ finden die Harze im Winter beim Räuchern Verwendung. Im Vergleich zum verletzten Baum zeigt Tobias Dendl eine Fichte mit Borkenkäferbefall. „Der Baum wehrt sich gegen den Eindringling, indem er jedes Bohrloch mit einem kleinen Harztröpfchen verschließt. Zudem findet man braunes Bohrmehl auf der Rinde und am Stammfuß“, erklärt der Fachmann. „Jetzt ist es höchste Zeit, den Baum zu fällen und aus dem Wald zu schaffen“, fügt Elena Mühlbauer hinzu. „Möglichst 500 Meter weit weg vom Wald, damit keine weiteren Bäume befallen werden.“

Fichtenspitzen zum Naschen

Hellgrüne Spitzen einer Fichte im Wald.Zoombild vorhanden

Fichtenspitzen im Frühling

„Wisst ihr eigentlich, dass man die jungen, hellgrünen Triebspitzen der Fichten, die sogenannten Maiwipferl, essen kann?“, fragt die Kräuterexpertin die Gruppe. Sogleich nehmen die Mutigen eine Kostprobe vom nächsten Baum am Waldesrand. Sie schmecken etwas harzig mit einem Hauch von Zitronenaroma. „Durch die ätherischen Öle können sie wohltuend auf die Atemwege wirken. Zudem enthalten sie viel Vitamin C“, erklärt die Expertin. Ein Grund mehr, die Maiwipferl im jetzt idealen jungen Entwicklungsstadium einfach mal zwischendurch zu snacken. Auch der bekannte „Fichtenspitzenhonig“ ist ein beliebtes, natürliches Mittel gegen Husten und Heiserkeit.

Die Bedeutung des Waldrandes für Flora und Fauna

Frau hält in einer Hand eine Knoblauchsrauke.Zoombild vorhanden

Kräuterpädagogin Ulrike Niedermeier

Elena Mühlbauer erklärt, dass der Waldrand als Schutz vor Wind und Stürmen möglichst stufig aufgebaut sein soll. Dadurch können auch wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschaffen werden, indem man zum Beispiel Wildkirschen als Futterquelle für Wildtiere erhält oder Gesteinsformationen als Rückzugsort für Reptilien freischneidet. Hier findet die Kräuterpädagogin verschiedene Kräuter wie Gundermann, Giersch, Spitzwegerich, Frauenmantel oder Gänsefingerkraut, auf deren Wirkung und Bedeutung für die Gesundheit sie eingeht. Insbesondere hebt sie die Knoblauchsrauke hervor, die gerne am Waldesrand anzutreffen ist. Mit ihrem dezenten Knoblaucharoma wurde sie früher in der Küche als Würzkraut verwendet und geschätzt.

Der krönende Abschluss

Auf dem Fensterbrett stehen Fichtenspitzenmuffins, Brennnesselbrot und BuchblätterrolleZoombild vorhanden

Selbstgemachte „Wald- Schmankerl"

Am Ende der Führung hat die Referentin ein Mini- Büffet vorbereitet. Alle können sich Leckerbissen wie Buchenblätter- Rolle, „brennendes Brot“ mit Brennnesseln oder als süßen Abschluss Fichtenwipfel- Muffins schmecken lassen. Zum Aufwärmen gibt es Fichtenspitzen- Tee mit Zitrone. Elena Mühlbauer und Tobias Dendl bedanken sich bei der Kräuterpädagogin mit einem Geschenkkorb für den interessanten Vortrag, die vielen praktischen Tipps und die leckeren Waldspezialitäten. Das Konzept der „hybriden Veranstaltung“ der Organisatoren scheint aufgegangen zu sein. Die kräuterinteressierten Frauen ohne forstlichen Hintergrund haben nebenbei viel über Waldwegebau, Rückegassen, Biotop- Bäume und Co. erfahren. Und die Waldbäuerinnen und Waldbauern konnten sich ihrerseits interessantes Wissen rund um die „Apotheke des Waldes“ aneignen. Der Vorschlag einer weiteren Veranstaltung im Herbst jedenfalls fand regen Zuspruch.