Fachexkursion zu Direktvermarktung, Engerling, Tierwohl
Landwirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln
Die Teilnehmenden der Fachexkursion bei der Hofmolkerei Wilhelm in Kronwinkl
Drei landwirtschaftliche Betriebe und ihre Erfolgsgeschichten standen im Mittelpunkt der jährlich stattfindenden Fachexkursion, die heuer in den Landkreis Freyung- Grafenau führte. Die Regierung von Niederbayern, das Amt für Ländliche Entwicklung, die fünf niederbayerischen AELF- Behördenleitungen, Landrat und Bürgermeister informierten sich zu den Themen Direktvermarktung, Engerling und Tierwohl.
Bei der Begrüßung unterstrich Regierungspräsident Rainer Haselbeck die besondere Rolle der Landwirtschaft in der aktuellen politischen Situation und die Notwendigkeit, ein neues Bewusstsein zu entwickeln. „Unser Ziel muss es sein, in den Bereichen Ernährung und Energie Selbstversorger zu werden.“ Denn die Globalisierung allein werde die Menschen im Ernstfall nicht ernähren können. Landrat Sebastian Gruber hob in seinem Grußwort die Bedeutung von Innovationen in der Landwirtschaft hervor. Er lobte die Bodenständigkeit und den Mut der Betriebe, sich weiterzuentwickeln und sich auch Nischen zu erobern.
Hofmolkerei liefert regionale Milchprodukte
Für die Hofmolkerei Wilhelm aus Kronwinkl in der Gemeinde Grainet begann der Weg in die Direktvermarktung im Jahr 2016 mit einem sogenannten „Milchautomaten“, bei dem sich die Kundschaft die Milch ab Hof direkt in Glasflaschen abfüllen kann. Sie stammt von den Milchkühen, die im Biobetrieb im Sommer und Herbst auf den eingezäunten Weiden direkt am Hof stehen. Beflügelt durch die Nachfrage und gute Resonanz begann die Familie, das Angebot schrittweise auszuweiten. Anfangs noch unsicher, aber mit viel Eigeninitiative und „Learning by doing“ stellte sie nach und nach auch Joghurt und Hart- sowie Weichkäse her. „Rund 120.000 Liter Milch verarbeiten wir derzeit jährlich selbst auf unserem Betrieb, den Rest liefern wir an die Molkerei Goldsteig“, berichtete Andreas Wilhelm beim Rundgang mit der Gruppe durch die Produktionsräume.
In den Milch- Verarbeitungsräumen
Hier wird die Milch auf 72 Grad Celsius für eine bessere Haltbarkeit erhitzt, abgefüllt oder weiterverarbeitet. Mit einem eigenen Kühlfahrzeug liefert er seine Produkte wöchentlich zweimal an Lebensmittelmärkte, Kantinen, Seniorenheime, Schulen und ein Krankenhaus aus. Auch der vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Regen initiierte „Regionaltisch“, ein Vernetzungstreffen von Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte und Gemeinschaftsverpflegern, sorgte für einen weiteren Nachfrageschub. Zum Schluss überraschte Andreas Wilhelm mit Kostproben von Joghurt und Käse, bei der sich alle von Geschmack und Qualität der Hofprodukte selbst überzeugen konnten.
Direkter Kundenkontakt ist im Hofladen Trumpf
Von der Geflügelhaltung bis zum Hofladen alles in einer Hand
Beim familiengeführten Geflügelhof Pauli in Oberkashof in der Gemeinde Hohenau drehte sich ebenfalls alles um das Thema Direktvermarktung, allerdings spielen hier Legehennen, Masthähnchen, Gänse und Puten die Hauptrolle. Neben frischen Eiern bietet der Betrieb eine breite Palette hausgemachter Nudelsorten nebst Ravioli und Frischgeflügelfleisch im eigenen Hofladen an. Weizen und Mais für seine Tiere bezieht der Betrieb regional aus Niederbayern, Soja kommt aus europäischem Anbau und ist gentechnikfrei. Die Tiere scharren und laufen bei gutem Wetter draußen auf der Wiese oder werden im Stall artgerecht auf Stroh mit Beschäftigungsmaterial gehalten. Beim Rundgang durch die hofeigenen Verarbeitungsräume bekamen die Gäste einen guten Einblick in die Prozessschritte von der Erzeugung bis hin zur Vermarktung im Hofladen.
Hier werden die Nudeln hergestellt.
Gelügelbetrieb Pauli in Oberkashof.
Braunverfärbungen auf Wiesen weisen auf Engerlingsbefall hin
Auf dem Grünland lenkte AELF- Behördenleiter Christian Loibl den Blick auf die Engerlingsmisere. Insbesondere im Unteren Bayerischen Wald fressen die Larven des Maikäfers die Graswurzeln ab und verursachen damit teils enorme wirtschaftliche Schäden. In schweren Fällen stirbt die Grasnarbe großflächig ab und man kann den Bewuchs oft ähnlich wie Rollrasen vom Untergrund ablösen. „Teilweise haben wir auf unseren Wiesen 120 bis 150 Engerlinge pro Quadratmeter vorgefunden“, stellte der Betriebsleiter Dr. Sebastian Pauli in Hinblick auf die Schadschwelle von 40 Engerlingen pro Quadratmeter fest. Hier bliebe nichts anderes übrig, als die Wiesen zum Beispiel mit einer Fräse zu bearbeiten. „Kalkung und Düngung mit Gärrest haben einen positiven Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit des Grünlands, während Trockenheit und Südlagen die Schädigung durch den Engerling deutlich begünstigen“, beobachtete er rückblickend. Im Dienstgebiet des AELF Regen stellten 2025 laut Christian Loibl rund sechzig Landwirte einen Antrag auf höhere Gewalt, um ungefähr 550 Hektar befallene Flächen umzubrechen und neu anzusäen.
Ausgesiedelter Kompostierungsstall bietet hohen Kuhfomfort
Bequemer Liegebereich für die Milchkühe.
Familie Miedl aus Rettenbach in der Gemeinde Thurmannsbang legte beim Stallneubau 2023 den Fokus auf das Tierwohl und entschied sich für einen Kompostierungsstall. Damit hat sie „die Weide in den Stall geholt“. Denn statt Einzelliegeboxen gibt es hier eine große zusammenhängende Fläche, auf der die Tiere sich frei bewegen können und die mit Hackschnitzeln, Siebresten und Sägespänen eingestreut einen weichen Liegeplatz bietet. Das zersetzte organische Material dient später als naturbelassener Dünger. Auch eine Kuhdusche, elektrische Kuhbürsten, ein mit Stroh eingestreuter Bereich für die trockenstehenden Kühe und ein Auslauf ins Freie tragen zum Wohlbefinden der Tiere bei.
Die Familie verwendete bei Bau viel regionales Holz, so dass eine lichtdurchflutete Gebäudekonstruktion mit einem angenehmen Stallklima für Tier und Mensch entstand. Zuletzt besichtigten die Gäste das unmittelbar angrenzende Hackschnitzel- Heizwerk, das acht Haushalte im Dorf mit Wärme versorgt und eine Heuballentrocknungsanlage. Regierungspräsident Rainer Haselbeck nutzte die Gelegenheit, um genau hinzuhören, nachzufragen und Probleme anzusprechen. Er bedankte sich bei allen Betrieben recht herzlich für die Gastfreundschaft und Christian Loibl überreichte eine kleine Anerkennung. Mit einem liebevoll zubereiteten Buffett der Familie Miedl klang die informative Exkursion aus.
Familienbetrieb Miedl in Rettenbach
Fütterungsroboter am Futtertisch
„Wir haben heute drei beeindruckende Betriebe kennenlernen und die Landwirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln sehen dürfen.“
Regierungspräsident Rainer Haselbeck
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fachexkursion:
Rainer Haselbeck, Regierungspräsident Niederbayern, Franziska von Krezmar, Leiterin des Bereichs Ernährung und Landwirtschaft an der Regierung, Katharina Kellnberger, Leiterin des Bereichs Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz an der Regierung, Hans- Peter Schmucker, Leiter des Amts für Ländliche Entwicklung Niederbayern, Behördenleiter Helmut Ramesberger, AELF Passau, Behördenleiter Josef Groß, AELF Deggendorf- Straubing, Behördenleiter Josef Eichenseer, AELF Landau a. d. Isar- Pfarrkirchen, Frank Trauzettl, Bereichsleiter Landwirtschaft AELF Landshut, Behördenleiter Christian Loibl, AELF Regen, Sebastian Gruber, Landrat Freyung- Grafenau, Jürgen Schano, Bürgermeister Gemeinde Grainet, Josef Geiß, Bürgermeister Gemeinde Hohenau, Andreas Nebl, Sachgebietsleiter Förderung AELF Regen, Christine Seidl, Sachgebietsleiterin Ernährung und Haushaltsführung AELF Regen, Josef Niedermeier, Sachgebietsleiter Landwirtschaft AELF Regen.